»Denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.« Jeremia 29,11

"Islam - eine Frage des Respekts?"

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"Islam - eine Frage des Respekts?"

"Respekt ist Teil des religiösen Selbstverständnisses"

Am 6. Oktober sprach Prof. Dr. Mouhanad Khorchide auf Einladung der Initiative "Respekt. Tut gut." im vollbesetzten Saal des Alten Rathauses über "Islam und Respekt". Mit seinem lebendigen Vortragsstil fesselte der Theologe aus Münster das Publikum von Beginn an.

Schon am Eingang konnten die Besucherinnen und Besucher an einem kurzen Voting teilnehmen. Eine der Fragen lautete: "Gehört der Islam zu Deutschland?" - Rund 60 Prozent stimmten zu, 40 Prozent nicht. Khorchide nahm das Ergebnis immer wieder auf und nutzte es, um ins Gespräch zu kommen.
Er betonte, dass Barmherzigkeit das im Koran am häufigsten genannte Attribut Gottes sei. "Respekt gegenüber anderen - auch gegenüber Andersgläubigen - ist damit kein Zusatz, sondern Teil des religiösen Selbstverständnisses", so der Islamwissenschaftler.

Khorchide, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Münster, gilt als Vertreter eines liberalen und reformorientierten Islams. Er plädiert für eine kontextbezogene und historisch-kritische Lektüre des Korans. Mit einem Augenzwinkern erklärte er: "Im Koran steht, dass Allah die Esel erschaffen hat, damit ihr auf ihnen reitet und sie euch zur Zierde dienen. Das bedeutet natürlich nicht, dass Muslime heute nicht mit dem Bus oder Fahrrad zur Uni fahren dürfen."

Mit diesem Beispiel erläuterte er seine Interpretation des Korans, dessen Ausführungen immer auch als Beschreibung des historischen Kontextes zu verstehen seien, dementsprechend nicht als Handlungsimperative oder gar Aufruf zur Gewalt. Wichtig sei für seine Interpretation des Koran die Entwicklungsdynamik hin zur Freiheit des Menschen und immer die zentral Liebesbeziehung zwischen Gott und Mensch. Mit der Nacherzählung einer Parallelstelle aus dem Koran zu seiner biblischen Lieblingsstelle im Matthäusevangelium Kapitel 25 verdeutlichte Khorchide, dass es in allen drei monotheistischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam, letztlich um die Gottes- und Nächstenliebe gehe.

Respekt im Alltag

Der Islam, so Khorchide, zeige sich nicht nur in Moscheen, Gebeten oder Ritualen, sondern im täglichen Miteinander - in der Art, wie Menschen sprechen und sich begegnen. Dieses Verhalten solle geprägt sein von Würde und Barmherzigkeit. Das Verhältnis zwischen Mensch und Gott beschreibt er als Dialog: "Gott richtet nicht nur Forderungen an den Menschen, sondern bietet Liebe, Führung und Freiheit." Daraus folge auch, dass der Mensch mit Würde zu behandeln sei - Respekt gegenüber dem Anderen sei Teil dieser Freiheit.

Mit der Unterscheidung von "Grundrespekt" und "Handlungsrespekt" verdeutlichte Korchide den gegenüber allen Menschen geforderte bedingungslose Respekt gemäß Art. 1 der Menschenrechte und den an den Taten orientierten Respekt, der nicht bedingungslos ist. Die Verletzung der Menschenrechte und Gewalt im Namen einer Religion verdiene dementsprechend keinen Respekt.

Wie unterschiedlich der Islam weltweit gelebt wird, zeigte Khorchide am Beispiel Indonesiens, des bevölkerungsreichsten muslimischen Landes der Welt: Dort beteten Frauen und Männer auf gleicher Ebene, wenn auch getrennt - anders als in vielen deutschen Moscheen, wo Frauen häufig im hinteren Bereich oder auf einer Empore Platz finden.
Auch im Austausch mit islamischen Vertretern aus Indonesien und dem Balkan beobachte er einen dynamischen, pluralen und demokratischen Islam. Am Zentrum für Islamische Theologie in Münster, dessen Direktor er ist, werden deshalb Fortbildungen angeboten, bei denen sich Imame und muslimische Sozialarbeiter austauschen. Ziel sei es, den Bezug zur Lebenswirklichkeit junger Muslime zu stärken.

Digitale Aufklärung

Viele Moscheegemeinden erreichten Jugendliche heute nicht mehr so leicht, berichtete Khorchide. Um sie nicht fundamentalistischen Einflüssen in sozialen Medien zu überlassen, unterstützt er die Plattform "Muslim aktiv und weltoffen", die jungen Menschen Orientierung und Austausch bietet.

Übrigens: Laut dem Eingangsvoting gaben 70 Prozent der Besucher an, in den letzten fünf Jahren persönlichen Kontakt zu Muslimen gehabt zu haben - 30 Prozent hingegen nicht.

Weitere Bilder von dem Abend und Informationen finden Sie auf respekttutgut.de.

Wolfram Heidenreich